Klub der Löwinnen, Teil 6 von Spectator2 (Propertiusweb.de) Malú erteilt Sergio eine Lehrstunde, trifft sich mit Lisa, kämpft erneut mit Murat und lernt diesen von einer anderen Seite kennen. ****************************************************** Malú und Sergio trafen sich am Hauptplatz von Moguer, entschieden sich allerdings dafür, mit dem Bus nach La Rábida zu fahren und dort aus dem Ort ans Ufer des Río Tinto zu gehen. Jetzt, während der Regenzeit, gab es dort wenig Menschen. Auch diesen Morgen hatte es kräftig geregnet, sodass der Boden feucht war. „Ich hoffe, deine Klamotten dürfen auch dreckig werden?!“, kommentierte Sergio. „Meine? Warum? Durch dein Zutun werden sie es jedenfalls nicht.“ „Du gibst ganz schön an.“ „Ich bin eben stolz wie eine Andalusierin. – Los, zeig, was du kannst!“ Sie stellte sich ihm gegenüber, tänzelte zuerst nur, wartete, bis er zuschlug, wich aus, blockte seinen nächsten Schlag, wich einem Tritt aus und schlug schließlich zu. WUMM! Sie hatte zwar nicht mit voller Kraft zugeschlagen, doch genau den Nervenknoten an seiner Kehle getroffen. Sergio fiel um, Malú hockte sich neben ihn und nahm ihn in einen Würgegriff. „Zu langsam und zu durchschaubar“, kommentierte sie. „Noch eine Runde?“ Die zweite Runde war ebenso ungleich und schnell beendet wie die erste: Ein Kick ließ Sergio stürzen und sieben oder acht Sekunden liegenbleiben. Malú half ihm auf: „Wenn du im Ernstfall eine Chance haben willst, musst du entweder schneller werden oder besser täuschen. Ich werde dich jetzt mit der linken Hand angreifen, aber du wirst meine rechte blocken.“ Sie hob den Fuß, Sergio wich zur Seite, schlug erst mit links zu, wobei er wieder auswich, dann langsamer mit rechts, sodass er tatsächlich blocken konnte, danach mit links voll in seinen Solarplexus, sodass er wieder auf der Erde zu sitzen kam. „Sogar mit Ansage!“, Malú grinste. „So wie du reagiert jeder Gegner, der mittelmäßig kämpfen kann. Wenn du es schaffst, in dem Moment, wo er blockt, mit der anderen Hand zuzuschlagen oder einen Kick zu landen, hast du schon gewonnen. Ich zeig dir den Bewegungsablauf nochmal langsam und ohne Gegner.“ Sie führte es vor und ließ ihn nachmachen. Einige Male musste Sergio üben, bis der Ablauf saß. Danach ließ Malú ihn das Tempo steigern. Einmal rutschte er aus; es dauerte eine ganze Weile, bis sie zufrieden war. „Gut so. Wichtig ist: Du musst mit jeder Hand und jedem Fuß attackieren können und genau sehen, wann der Gegner mit einer bestimmten Attacke rechnet. Also probier mal, ich warte nur ab.“ Sie blieb stehen, auch als er täuschte. „Man sieht noch zu gut, ob du es ernst meinst oder nicht.“ „So!“ Er schlug unvermittelt zu, sodass sie gerade noch blocken konnte. „Schon besser. Noch einmal!“ Sie ließ ihn attackieren, blockte absichtlich, als er antäuschte, wich dem tatsächlichen Schlag dann aus, packte seine Hand und schulterte ihn mithilfe seines und ihres Schwungs. „Autsch, das war aber nicht Karate.“ „Das war Judo. Hat mir eine Freundin beigebracht. Ich wollte nur einmal testen, ob ich das kann.“ Als sie wieder zur Bushaltestelle zurückgingen, hatte Sergio den Körper voller Blauer Flecken und die Kleidung voller Schlamm. Von anderen Wartenden wurde er bedauert, was er denn für einen schweren Unfall gehabt habe. Malús Gesicht, Hände und Kleidung war dagegen völlig makellos wie am Morgen. „Siehst du: Ich hätte im weißen Kleid kämpfen können und meine Mutter hätte nichts zu meckern gehabt“, kommentierte sie nach dem Aussteigen in Moguer. „Ich hab ja mit so etwas gerechnet. Aber immerhin hab ich einige Tricks von dir gelernt.“ „Ich hoffe, du erinnerst dich daran, wenn du einmal Elena beschützen musst.“ „Hoffentlich nicht vor einem Gegner wie dir! Das brächte ihr gerade mal zwei Sekunden.“ „Da dürftest du Recht haben. Aber du hast dich nicht schlecht gehalten.“ Sie ließ sich von ihm auf die Wangen küssen. Als sie sich am Nachmittag von Elena verabschiedete, sprachen die Mädchen nicht über den Kampf. So erfuhr Malú auch nicht, ob Sergio Elena überhaupt etwas erzählt hatte. Am Sonntagnachmittag ging es nach Deutschland zurück. Bald nach der Ankunft setzte Malú sich ans Notebook und studierte die von Laura und Lea aufgenommenen Wurftechniken genauer. Der Kampf gegen Sergio hatte immerhin gezeigt, dass man sich damit gegen Karate verteidigen konnte. Carlos musste als Übungspartner herhalten und bekam anschließend seine Karatestunde. Als Malú ihm gnädig gestattete, ans Notebook zu gehen, tat ihm alles weh. Malú nutzte die Zeit, um mit Lisa zu telefonieren, die als einzige aus der Clique außer ihr nicht Skifahren war, da ihre Eltern über die Brückentage bis Neujahr nicht freibekommen hatten. Die erzählte ihr, dass Laura inzwischen die Taekwondo-CD erstellt hatte und zwar gemeinsam mit Selina. „Sieht gut aus, was die zwei machen und wenn die Selina so kämpft wie da, dann ist die ne Verstärkung für uns. Ich hab mir allerdings schon ein paar Gegentricks überlegt. – Wie sieht’s bei dri diese Woche aus? Ich möchte mit dir auch mal ein bisschen länger zu zweit quatschen. Die Mädchen verabredeten sich gleich für Montag. Nach dem langen Gespräch mit Lisa schickte Malú noch eine SMS an Murat, wann der kämpfen wollte. Schließlich sagte er für Dienstagnachmittag zu und schlug einen Treffpunkt bei der Haltestelle Verladebahnhof vor. Das Haus von Lisas Eltern sah ähnlich aus wie Leas, auch wenn es ein Stück entfernt war. Lisas Zimmer war etwas größer. „Dafür habe ich keinen so schönen Trainingsraum im Keller. Aber dann müssen wir’s eben nachher hier machen.“ Lisa wollte von Malú ebenfalls vieles über Spanien und ihre Freunde dort wissen. Vieles von dem, was sie selbst erzählte, wusste Malú schon. Die wunderte sich nur, dass Lisa früher eher klein und schmächtig war. Heute hatte Lisa eine ähnliche Figur wie Laura und Malú gegen sie beim Armdrücken ebenso wenig Chancen wie gegen diese. Lisa zeigte ihr allerdings einige alte Fotos als Beweis. Anschließend schauten sie sich gemeinsam das Video von Laura und Selina an. Selina war einen ganzen Kopf größer als Laura und schien stärker, allerdings langsamer als diese zu sein. Tatsächlich erwischte Laura sie einmal voll mit dem Fuß, doch Selina blieb stehen – eine Leistung, die Lisa und Malú unglaublich vorkam. „Die sollten wir uns nicht entgehen lassen“, meinte Lisa. „Wenn die noch ein bisschen gelenkiger wird und ein paar mehr Techniken drauf hat dann hat so gut wie niemand eine ernsthafte Chance gegen sie.“ Malú war anderer Meinung: „Laura gewinnt manchmal gegen Lea, obwohl Lea viel stärker ist. Aber Laura ist schneller und beweg… wie sagt man?“ „Beweglicher.“ „Ja, beweglicher. Lea weiß das, trainiert auch, dass sie damit besser wird, aber sie wird das nicht, also nicht so beweglich wie Laura.“ „Schon möglich. Ich glaube auch, dass Lea, Laura und ich uns in den Basics nicht mehr entscheidend verbessern werden, also Kraft, Schnelligkeit, Reaktion und so. Wir können natürlich neue Techniken lernen und selber entwickeln und wir müssen hart trainieren, damit wir unser Niveau halten. Bei dir ist das zum Beispiel, was Kraft angeht, anders. Wenn ich allein denke, wie du heute zuschlägst und wie du im Oktober getätschelt hast, da liegen Welten dazwischen und ich bin mir sicher, du bist kraftmäßig noch lange nicht am Limit – was nicht heißt, dass du jemals so stark wirst wie Lea oder auch wie Laura oder ich, obwohl, wenn du an das alte Foto von mir denkst, ich glaube, du hast da mehr Potential als ich. Bei Selina kann das mit der Beweglichkeit genauso sein. Sie wird vielleicht nicht unser, oder genauer Lauras und dein Niveau erreichen, aber sie kann sich sicher noch verbessern. Schau, jemand wie sie kann die meisten Kämpfe allein mit ihrer Kraft gewinnen – so wie du allein mit deiner Schnelligkeit. Daher hast du weniger auf Kraft trainiert und sie weniger auf Beweglichkeit – so, jetzt lassen wir aber die Theorie und probieren die Techniken selbst.“ Sie spielten die gezeigten Stellungen und Schlagtechniken einzeln vor und machten sie nach. Anschließend übten sie gegeneinander. „Du sagst, du kannst einen Gegentrick?!“, wollte Malú wissen. „Ja, schon, aber ich wollte den erst mit Laura besprechen und üben, weil ich wissen muss, ob der ernsthaft funktioniert. Dir zeigen kann ich’s schon, aber keine Garantie, wie gesagt, dass es was nützt.“ Sie zeigte Malú einen Griff, wie man die Schlaghand des Gegners so zur Seite drücken konnte, dass dieser auch die andere Hand nicht gebrauchen konnte und so ungeschützt dastand. „Im Ernstfall weiß ich natürlich, was ich machen muss, wenn der andere das bei mir macht – und ich kann mir nicht vorstellen, dass Laura oder Lea dann hilflos wären.“ „Ich würde den Arm dann locker lassen.“ „Guter Gedanke. Wenn der andere dann voll drückt, kommt er aus dem Gleichgewicht. Probieren wir mal – Angriff wie auf dem Video, Abwehr wie ich sie dir gerade gezeigt habe, wie es weitergeht nach Gusto und Können.“ Tatsächlich brachte weder die Angriffstechnik noch Lisas Abwehr einem der beiden Mädchen einen entscheidenden Vorteil gegenüber der anderen. Malu übte auch noch mit Lisa einige der Judotricks von der Weihnachts-CD. Anschließend kämpften die Mädchen noch einige Male im freien Stil, wobei Lisa es immer wieder schaffte, Malú zu täuschen, sodass diese in die falsche Richtung auswich und Schläge einstecken musste. „Das müssen wir nachher noch üben“, stellte sie anschließend fest. „Malú, du bist wahnsinnig schnell und daher fast nicht zu treffen. Das heißt aber umgekehrt, ein Gegner, der dich kennt, wird entweder versuchen, dich an die Wand zu drängen – das macht ja die Lea so – oder auszutricksen. Das ist meine Spezialität und meine einzige Chance gegen euch drei. Klar, ich schaffe es auch noch, die Laura zu verblüffen, aber bei dir ist es zu leicht. Pass mal genau auf, ob du bei mir den Unterschied zwischen Scheinangriff und richtigem Angriff merkst.“ Murat rührte sich, während Malu bei Lisa war und sagte zu. Malu erzählte es der Freundin und diese versprach, ebenfalls unter den Zuschauern zu sein. „Du hast gegen ihn also schon gekämpft und gewonnen“, stellte sie fest. „Was, meinst du, wird er anders machen? Wie schätzt du ihn ein?“ „Er ist ziemlich schnell und beweglich, fast so wie ich. Hm… im letzten Kampf hat er nicht gemerkt, dass ich damals noch mit den Füßen um einiges besser war als mit den Armen. Dann wird er diesmal vielleicht zu sehr auf meine Beine achten.“ „Kann sein. Er wird jedenfalls versuchen, nah an dir dran zu bleiben, damit du nicht mit den Beinen ausholen kannst. – Übrigens gilt das nicht nur für ihn; deshalb war es uns so wichtig, dass du ein paar Wurftechniken lernst. Am nächsten Vormittag wärmte sich Malú auf, indem sie die doppelte Menge an Liegestützen machte und immer wieder Kisten voller Bücher stemmte. Auch Carlos musste herhalten: Sie forderte ihn zuerst zum Armdrücken. Im Gegensatz zu ihrem letzten Wettkampf vor mehreren Wochen spürte sie mit dem rechten Arm zwar Widerstand, gewann aber bald einen Vorteil und drückte Carlos‘ Arm in weniger als einer Minute nieder. Mit links war er ohnehin kein ernstzunehmender Gegner. Anschließend hob sie ihren Bruder noch hoch. Sie konnte ihren Bruder, der fast 15 Kilo schwerer war als sie selbst, zwar nicht über den Kopf stemmen, doch deutlich in die Höhe brachte sie ihn schon. Es hatte ein bisschen geschneit, doch liegengeblieben war kaum etwas. Malú und Lisa fuhren die letzte Strecke gemeinsam im Bus zum Verladebahnhof. Dort warteten bereits neun Jungen und zwei andere Mädchen. „Sieht nicht so aus, als ob es Probleme gäbe“, sagte einer, der Konstantin hieß. „Keine Spuren im Schnee bis zur Halle.“ Die Jugendlichen gingen ein Stück am Zaun entlang, einige stiegen durch Löcher ein, andere kletterten an Stellen, wo der Zaun niedriger war. Drin marschierten sie zu einer großen Lagerhalle. Das Tor konnte aufgeschoben werden. Drin war es im Verhältnis zu draußen warm. Ein Junge fragte Lisa, auf wen sie setzte und verlangte zwei Euro von ihr. Malú und Murat stellten sich einander gegenüber. Ein anderer Junge, der sich als Gökhan vorstellte, trat neben sie. „Also, nochmal die Regeln: Du nicht in die Eier, du nicht auf die Titten. Ansonsten ist alles erlaubt, was ihr draufhabt. Verloren hat, wer mehr als dreimal mit was anderem als dem Fuß auf dem Boden landet oder wer mehr als zehn Sekunden liegenbleibt oder nicht aus einem Griff des anderen rauskommt. Es treten an, Murat, der Mann aus Stahl gegen… „Malú, the Lioness!“, rief Lisa von draußen. „Auf geht’s!“ Murat versuchte eine Kombination von Täuschen und Drängen. Malú konnte seine Schläge zwar blocken oder ihnen ausweichen, kam zunächst allerdings nicht in den Angriff und konnte nicht mit dem Bein ausholen. Nach einer knappen Minute ließ sein Tempo etwas nach, was sie ausnützte. Er blockte ihre ersten Schläge und verlegte sich dann aufs Täuschen. Auch Malú verlangsamte das Tempo, beobachtete seine Bewegungen genau, verlegte ihr Gewicht von einem Bein aufs andere und schlug nur gelegentlich zu. Er wich einem Schlag aus. Sie merkte, dass sie für den nächsten Moment eine gute Angriffsfläche bot, was er auch ausnützte. Allerdings konnte sie nicht nur blocken, sie bekam auch seinen Arm zu fassen, wich zurück, hob ihn auf die Zehenspitzen und schulterte ihn. Murat landete auf den Füßen und schaffte sogar im nächsten Moment eine Beinattacke, doch Malú hatte aufgepasst: Sie wich aus und hatte nun ihrerseits den Raum frei. Murat erkannte seinen Fehler noch, doch konnte er den folgenden Tritt weder blocken noch ihm ausweichen. Er stürzte zu Boden und blieb einige Sekunden liegen. Bei „vier“ stürzte sie sich auf ihn, kaum dass er sich bewegte, nahm ihn in den Schwitzkasten und schlug zweimal gegen seine Schläfen, kurz und hart. „Halt!“, schrie Gökhan. „Halt, er bewegt sich nicht mehr. Steh auf, Malú! Eins – zwei.“ Malú gehorchte widerwillig, war allerdings stolz, als Murat bei „Zehn“ gerade einmal mithilfe der Hände den Oberkörper hochgebracht hatte. „Das war wohl klarer Fall. Sieger ist…. Maluuuuu the Lionesssss!“ Gökhan hob Malús Arm nach oben. Murat gratulierte mit Handschlag. „Stefan, was sagt die Kasse?“, fragte Gökhan. „Es ist insgesamt 22 Mal gesetzt worden, davon zwölfmal auf Malú und zehnmal auf Murat. Das heißt: Malú bekommt zehn Euro von Murat und weitere zehn Euro von denen, die auf ihn gesetzt haben. Von denen, die auf sie gesetzt haben, bekommt jeder 80 Cent. Glückwunsch, auch von mir!“ Lisa gratulierte Malú mit einer Umarmung. „Nicht schlecht. Das war ein Typ, gegen den eine Löwin zwar gewinnen muss, aber schon ein bisschen arbeiten. Ich weiß nicht, ob ich es so schnell geschafft hätte.“ „Das hört man gern! – Lass mich noch etwas versuchen!“ Sie waren an einem Mäuerchen angekommen, offenbar dem Rest einer Lagerhalle. Malú nahm Anlauf, trat zu und tatsächlich krachte es und im Beton war ein Riss zu sehen. Lisa applaudierte. „Hab ich schon länger nicht mehr versucht. Also darf man dich keinesfalls unterschätzen.“ „Versuch du auch!“ Lisa brauchte zwei Anläufe, dann gelang ihr allerdings auch dasselbe. Die beiden Mädchen merkten nicht, dass sie beobachtet wurden. Am Abend zu Hause erhielt Malú allerdings eine SMS vom Zuschauer: Murat. „Glückwunsch nochmal. Ich find dich cool!“ „Annäherungsversuch?“, schrieb sie zurück. „Kann sein. Was hast du in den Ferien so vor?“ „Nicht viel. Können uns gern treffen – aber kann dir wehtun.“ „Jugendzentrum Schmittenstraße an Silvester?“ Malú zögerte. Das konnte auch eine Falle sein. Sie schrieb nicht sofort zurück, sondern rief Lisa an. „Ich war noch nie dort“, antwortete die. „Sollen aber ganz gut sein, die Partys dort. Ich komm dann wahrscheinlich mit; mit meinem Freund rede ich noch und ich glaub nicht, dass meine Alten Herrschaften was dagegen haben. Der Kerl kennt mich nicht, also haben wir noch bessere Chancen, dass wir wenigstens rauskommen, wenn es ne Falle ist.“ Eine Stunde später kam die SMS, dass Lisa gemeinsam mit ihrem Freund ebenfalls dort sein würde. Daraufhin sagte Malú Murat zu. Murat war mit einigen Freunden, darunter auch Gökhan, auf der Party. Malú unterhielt sich mit ihnen über belanglose Dinge und saß zwischendurch auch mit Lisa und deren Freund Markus zusammen. Später forderte Murat Malú zum Tanzen auf. Sie hatte den Eindruck, dass er es genoss, sie in den Armen zu halten, allerdings wurde er nicht unverschämt. Im Lauf des Abends bat er sie, mit ihm vor die Tür zu gehen, zum einen zum Rauchen, zum anderen, um ungestört reden zu können. „Also?“, fragte sie, nachdem er ihr Feuer gegeben hatte. „Ich mag dich, Malú. Wie du reagierst, wenn dich jemand ärgert und wie du kämpfst.“ „Vorsicht! So gut kennst du mich nicht.“ „Ich könnte dir lange zuschauen beim Kämpfen – auch wenn’s wehtut, wenn ich der Gegner bin.“ „Schön, danke für das Kompliment.“ Sie blies ihm den Rauch ins Gesicht. „Kann aber sein, dass du noch öfter mein Gegner sein wirst.“ „Werde ich überleben. Also, willst du?“ „Vielleicht.“ Er tastete sich vorsichtig mit seiner Hand heran. „Na? Keine Angst! Angstliche Männer mag ich nicht.“ „Also doch?!“ Er umarmte sie. Sie erwiderte die Umarmung. „Danke! Das macht warm!“ Sie genoss die Mischung aus Zuneigung und Scheu in Murat. „Du fürchtest, ich schlage zu, wenn du mich küsst. Wer sagt dir, dass ich es nicht mache, wenn du nicht küsst?“ „Du…?“ „Ich habe noch nicht gesagt, was ich will. Du weißt, dass du keine Möglichkeit hast, wenn ich kämpfe. Also mach, was du willst.“ Er küsste sie, wenn auch nur flüchtig. Malú kicherte. Anschließend warf sie ihre Zigarette weg, umarmte Murat fest und küsste ihn ihrerseits. „Ich habe entschieden. Nun aber richtig, sonst Schläge!“ Sie küssten sich für längere Zeit und gingen anschließend Hand in Hand wieder hinunter. Noch einige Male tanzten sie und auch den Jahreswechsel erlebten sie als Paar. Gegen drei Uhr früh begleitete Murat sie nach Hause, wo sie sich mit einem Kuss verabschiedeten. Als Malú am Neujahrstag aufwachte, war Lisa bereits nicht mehr zu erreichen. Am späten Nachmittag meldete sie sich aus Tirol und schlug Malú vor, am Abend zu skypen. Natürlich war sie neugierig, was Murat betraf. Malu erzählte ihr bereitwillig alles. „Geküsst haben wir, aber nicht mehr.“ „Gut so.“ Lisa kicherte. „Du bringst das ja noch cooler wie ich. Wenn er zu viel will, kann er Schläge bekommen, wenn er zu wenig will, kann er Schläge bekommen. – Meinst du, er lässt sich darauf ein.“ „Vielleicht.“ „Gute Einstellung. Lass ihn ruhig ein bisschen schmoren. Er soll sich rühren, nicht du. – Ach ja, und eins…“ „Was?“ „Laura hat es mir erzählt und ein bisschen hab ich selber mitbekommen. Wenn der Typ mit euch in der Klasse ist, kannst du natürlich nicht zweigleisig fahren.“ „Klar.“ „Ich bin mir nicht sicher, ob du mit der Lea nicht schon zu weit gegangen bist. Wenn du plötzlich einen Freund hast, wird sie das nicht ohne weiteres akzeptieren. Außerdem…“ „Was ist außerdem?“ „Eine Löwin darf betrügen, aber nicht betrogen werden. Das ist in eurem Fall natürlich schwierig zu unterscheiden. Sagen wir es so: Wenn es bei einem One-Night-Stand bleibt, erfährt die Lea nichts von mir. Wenn du mehr mit diesem Murat anfangen willst und er auch mit dir, dann musst du es ihr sagen. Ansonsten sage ich es ihr – und was das bedeutet, kannst du dir vorstellen.“ Malú musste schlucken. Sie hatte ein bisschen Angst vor Leas Reaktion, aber auch ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber. In den Ferien traf sie sich zwar noch zweimal mit Murat, doch über ein paar kurze Küsse ging die Beziehung nicht hinaus. Malú hatte das Gefühl, dass er immer noch ähnlich unsicher war wie sie selbst. Auch sonst verlief die erste Woche im neuen Jahr für Malú relativ ereignislos. Mit den anderen Löwinnen skypte sie ab und zu und bewunderte deren Skifahrkünste, doch tiefere Gespräche ergaben sich nicht. Lea sagte ihr zwar mehrmals, wie sehr sie sie vermisse und möge, doch die Worte „ich liebe dich“ gebrauchte weder sie noch Malú. Immerhin konnten sie das erste Löwinnentreffen im neuen Jahr für Freitag nach Dreikönig vereinbaren – vermutlich mit Selina, die zudem einige Kneipen in der Prinzenstraße kannte.